No More – Kissin In The Blue Dark
Ich mag das Wort Kult-Band nicht, weil es ziemlich abgegriffen klingt. Doch bei den Kieler Urgesteinen von No More passt es tatsächlich und klingt nicht peinlich. Gegründet haben sich No More 1979, als Punk und New Wave die bestimmenden Subkulturen waren, und mit letzterem Genre konnte sich die Band identifizieren.
Allerdings waren sie auch hierzulande Vorreiter für EBM, Cold Wave und Dark Wave, und zwei Jahre nach Gründung hatten sie mit „Suicide Commando“ einen amtlichen Genre-Klassiker, der auch heute noch heroisch verehrt und gerne gecovert wird und No More auch außerhalb Deutschlands bekannt gemacht hat.
1987 war die Luft raus, sie lösten sich aus, und man hatte sie fast vergessen. 23 Jahre gab es quasi nichts von No More zu hören, und dann meldeten sich Andy Schwarz und Tina Sanudakura 2010 mit „Midnight People & Lo-Life Stars“. Die Magie von damals war wieder da, und seitdem sind sie emsig, eine neue Werkschau, zwei Live-Alben, einen Soundtrack haben sie erstellt und nun mit „Kissin In The Blue Dark“ das sechste reguläre Album seit 2010.
Diesmal schöpft das Duo aus dem Vollen, denn 29 Stücke sind es geworden, die auf zwei CDs Platz brauchen. Diese Opulenz hat einen Grund, denn No More sollte einen neuen Soundtrack aufnehmen, der dann aber nicht genutzt wurde und deswegen auf diesem Album Platz findet. Deshalb klingt dieses neue Album auch ein wenig anders als die Vorgänger. Man erkennt es daran, dass es eine Blue und eine Dark CD gibt. Und das Ergebnis ist meist etwas romantischer und schwelgerischer und die erste CD auch versöhnlicher.
Es ist Darkwave, der aber nicht hart oder kühl ist, das beweisen sie bei einem Song wie „Paris Blue“. In diesem Lied geht es um Paris in der Nachkriegszeit, und das ist ungemein nahegehend und auch romantisch. Auch die Dark CD ist für No More recht versöhnlich, auch wenn es hier mal dunkler wird, wie „Words, Vows, Gifts and Tears“, wo Gitarre im dunklen Sound mit entschleunigtem Rockabilly Sound zum Tanz bittet. „Kissin In The Blue Dark“ist das vielschichtigste Alben von den Urgesteinen von No More. Zudem beweisen sie, dass sie einen noch überraschend können.
Erschienen bei: Rent a Dog / Alive