Various Artists – Too Much Future – Punkrock GDR 1980 – 1989

Im Westen wusste man kaum etwas über Punk-Musik aus der DDR, und dieses Kapitel ist auch bis heute eher unerforscht geblieben. Dabei ist das unverständlich, denn man muss gestehen, dass die damaligen Musiker es wesentlich schwerer hatten.

Die West-Punks hatten es hingegen relativ leicht, die konnten ihre Musik recht einfach verbreiten, Konzert-Möglichkeiten gab es irgendwo zwischen Jugendzentren und kleinen Konzerthallen, und selbst die Spießbürger gewöhnten sich schnell an den Anblick der Irokesenträger in der Fußgängerzone.

Die Pioniere in der DDR hatten es wesentlich schwieriger, denn es war schon schwierig, Gleichgesinnte zu finden, und hatte man sie gefunden, war es schwer, Konzerte zu geben. Diese fanden entweder in Proberaum statt, oder einige Pfarrer stellten ihre Kirche zur Verfügung. Was aber dann auch keine Sicherheit gab, denn die Punks waren Staatsfeinde, die auch gerne ohne Anlass von der Stasi beobachtet wurden. Und schlimmer noch, viele Bands und deren Mitglieder wurden jahrelang in Gefängnissen weggesperrt.

Dazu haben die Bands meist auch die Finger in die Wunde gelegt und geradeaus offene Kritik am Staat ausgeübt, wie die Band Namenlos. Diese Band hatte lange Zeit keinen Namen, um im Untergrund besser unentdeckt agieren zu können, was aber dennoch dazu führte, dass die Band auch im Knast landete. Man merkt, gegen die westdeutschen Sauf-Punks hatten sie es in der DDR wirklich schwer.

Dennoch ließen sich die Punks nicht unterkriegen, und in jeder großen Stadt gab es irgendwann Punks. Dabei war die Verbreitung der Musik heikel und auch vertrieblich schwierig. Keine der Bands hatte und wollte eine Spielerlaubnis holen, dann würden sie zum verhassten System gehören. Das ist auch der Grund, warum es keine Platten aus der Zeit gibt. Deswegen ist es schon eine Herkules-Aufgabe, die sich Hendryk Gericke hier aufgehalst hat.

Man muss dazu sagen, dass Gericke richtig tief in die Thematik eingetaucht ist, und so gibt es auch Buch, Ausstellung, Film und nun die Compilation namens „Too Much Future – Punkrock GDR 1980 – 1989“. Diese Zusammenstellung lohnt sich ebenfalls, denn vieles, was man hier hört, war bis dato als Kassettentäter unterwegs und dementsprechend rar und begehrt. Viele der vorliegenden Aufnahmen sind deswegen klanglich doch recht mau, wofür man aber niemandem etwas ankreiden kann. Es gab keine anderen Aufnahme-Möglichkeiten, als sie auf ein Tape zu bannen. Die Wucht und Wut sind dennoch immer zu spüren, und Vieles ist kritisch und damals politisch ungemütlich.

Die meisten Namen sind selbst etwas sattelfesteren Punk-Fans nicht zwingend geläufig, vielleicht Namenlos, Schleim-Keim, Paranoia oder L’attentat. Doch bei Acts wie Grabhorst, DDR Terrorstaat, Gefahrenzone oder Torpedo Mahlsdorf hört bei Vielen dann doch das Wissen auf, was aber durchaus verständlich ist, da Vieles, wie gesagt, erst jetzt wiederveröffentlicht wurde. Es ist wichtig, dass diese Stücke wieder einem breiteren Publikum bekannt werden. Zudem ist es gut ausgearbeitet, und hier wird aktiv vergessene Geschichte zutage gefördert, und das ist ungemein wichtig.

Erschienen bei: Edition Iron Curtian Radio / Broken Silence

www.toomuchfuture.de