Tocotronic – Nie wieder Krieg

Es fällt einem im ersten Moment nie auf, aber immer, wenn ein neues Tocotronic-Album erscheint, hat die Band einen weiteren Schritt gemacht, altes Terrain behutsam verlassen und ebenso neues betreten. Und wenn man mal von ihren Anfangstagen bis zum neuen Album „Nie wieder Krieg“ die Wandlung betrachtet, dann muss man schon feststellen, dass man es mit mindestens zwei Bands zu tun hat.

Einige Koordinaten sind doch geblieben, wie beispielsweise ihre Haltung oder das Wissen um die Kraft des Wortes. Bei dem zwölften Langspieler „Nie wieder Krieg“ sind die Worte auch mit Bedacht gewählt, und Sänger Dirk von Lowtzow trägt diese Worte seit einigen Jahren anders vor. Es wird nicht mehr die Wut und Verzweiflung herausgesungen, meist ist es eher ein singendes Erzählen, welchem man begegnet. Gut, das ist schon seit einigen Alben so, aber es fällt bei diesem Album dennoch auf. Die Arrangements sind diesmal meist noch galant gewählt.

Das erkennt man beim Opener und Titelstück; Klavier und Glockenspiel, und dann wird die innere Zerrissenheit besungen. So ist auch der Albumtitel dann zu verstehen, denn der Krieg bezieht sich nicht auf das Weltgeschehen. Passt auch, denn Tocotronic waren nie eine Band, die sich ins politische Geschehen vordergründig einmischt, und sie haben immer eher persönliche Texte geschrieben, und so ist es auch diesmal. Dabei muss dass Persönliche nicht immer auf die Bandmitglieder reflektieren.

Charmant ist auch, dass sie singen „…ihr sollt euch keinen Songtext aufschwatzen lassen“, wie bei „Leicht Lädiert“, und dabei haben viele ihrer Texte viele Menschen seit den Neunziger Jahren beeinflusst, und einige wurden bestimmt auch an Hauswände gesprüht. Da wären wir bei den jungen Trainingsjacken-tragenden Tocotronic, denn sie sezieren noch immer das Kleinbürgertum, und dennoch geht es bei „Ich hasse es hier“ um die eigene Verzweiflung. Manchmal brechen dann auch noch richtig krachende Indie-Gitarren durch wie bei „Komm mit in meine freie Welt“. Auch bei „Jugend Ohne Gott gegen Faschismus“ gibt es eine ordentliche Wall of Sound, die auch mal lärmend ist.

Aber wie gesagt, Tocotronic beherrschen seit Jahren auch die leisen Töne. So beeindruckt das Duett „Ich tauche auf“ mit Soap&Skin, denn hier hört man sich wunderbar ergänzende Stimmen, und diese werden sehr behutsam von sehnsüchtig sparsamen Klängen der Band begleitet. So einfach und schön können Lieder klingen, die tief ins Herz gehen. Und auch zum Schluss widmet sich das Quartett noch mal formschön der Liebe, und auch hier erlebt man, wie gekonnt ausgewogen Tocotronic Songs arrangieren können. „“Nie wieder Krieg“ ist ein wieder gelungenes und perfekt abgestimmtes Album, und zudem haben sich Tocotronic wieder weiter entwickelt.

Erschienen bei: Universal

www.tocotronic.de