Jonsi – Shiver

Es ist ja zwischenzeitlich sehr, sehr still geworden um Sigur Rós, Das letzte Album „Kveikur“ ist vor sieben Jahren erschienen. Zwar kam das neuste jetzt auch aus dem Nichts, aber sieben Jahre Abstinenz sind für diese Band doch recht ungewöhnlich. Zwar waren Sigur Rós irgendwie tätig, und so haben sie für Game Of Thrones Songs aufgenommen und andere Projekte durchgeführt.

Und so hat auch Frontman Jón Þór Birgisson sein zweites Solo-Album namens „Shiver“ veröffentlicht. Dieses ist natürlich auch auf seine Art eigensinnig, wie man es auch von der Musik seiner Band kennt. Dennoch beschreitet der Isländer ganz eigene Wege, obwohl hier die Songs eine typische Sigur Rós’sche Melancholie durchzieht. Aber ansonsten ist die Musik experimenteller, als man es kennt.

Schon der Opener „Exhale“ zeigt zwar seine Linie, aber es gibt kleine dezente elektronische Frickeleien, und auch der Gesang ist durch Delays und Reverbs überarbeitet. Aber man wird nicht so vor den Kopf gestoßen wie bei Bon Iver oder Lambchop. Beim Titelstück wird da schon mehr gewagt, und das auch stimmlich, aber auch die Sounds sind leicht zersplittert und klingen dennoch ergreifend orchestral. Man muss schon feststellen, dass Jonsi hier viel wagt und sogar Störgeräusche einbaut oder seine Stimme als Instrument durch elektronische Geräte einsetzt.

Das kann man sehr gut bei dem in isländisch gesungenen „Kórall“ erkennen, da schwirrt seine Stimme wie eine Horde Schmetterlinge um die Ohren, und die PCs spucken dazu mal leichtfüßige, dann wieder sich aufbäumende Töne aus, und zum Ende tauchen jede Menge Störgeräusche auf. „Salt Licorice“ ist dann mit fremden Stimmen besetzt und klingt wie ein bekiffter Manga-Pop-Song, bei dem sich die Soundlandschaft immer wieder sanft, aber gezielt häutet, und am Ende ist es ein lupenreiner Pop-Song. Kräftemessen mit frickelnden Lärm gibt es bei „Hold“ und wird bei „Swill“ noch wuchtiger.

Man ist überrascht, was für Muskelspiele Jonsi auffährt, und trotzdem weiß der ganz genau, dass er das Filigrane mindestens genauso beherrscht. Er beherrscht den Balanceakt, auch wenn zum Ende des Albums die Pferde mit ihm ein wenig durchgegangen sind. Aber das darf bei einem Solo-Debüt so sein, und ehrlich gesagt, wünscht man sich das auch oft. Dieses Abnabeln aber sich nicht komplett von seiner Band zu verabschieden, ist Jonsi auf „Shiver“ ungemein gut gelungen.

Erschienen bei: Krúnk

jonsi.com