Ghostpoet – I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep

Manchmal möchte man Musik einem Genre zuordnen es und es geht einfach nicht. Doch wenn man dies nicht kann, ist das ein Zeichen dafür, dass es bei dieser Musik unheimlich viel zu erforschen gibt. Man hat es dann immer mit Grenzgängern zu tun. Als solchen kann man auch Obaro Ejimiwe alias Ghostpoet bezeichnen.

Im ersten Moment würde man sein Album dem Hip Hop zuordnen, doch damit tut man dem Output des Briten nicht genüge. Zumal man kaum dicke Beats hört und auch die sonstigen Klischees ignoriert er, bis auf eins und das wäre das Wichtigste. Denn Ghostpoet hat viel zu sagen, weist gerne auch mal auf Missstände hin, und das ist ja einer der Hauptgründe, weshalb Ende der Siebziger in der Bronx junge Menschen ein Mikrophon in die Hand genommen haben.

Doch wie gesagt, das wäre das einzige Merkmal, weshalb man Obaro Ejimiwe mit Rap in Verbindung bringen könnte. Doch diesmal geht es in seinen Texten nicht nur um politische Themen, klar, als Brite ist der Brexit hier auch ein zentrales Thema. Aber es geht auch um viel Persönliches, wie eine Trennung, die er wuppen musste, aber auch die Vereinsamung der Menschen. Er betrachtet die Einsamkeit in einer immer fremder werdenden Gesellschaft und das bringt er beim Schlussstück „Social Lacerations“ dann auch ziemlich auf den Punkt.

Das Ganze untermalt er wie gewohnt eher mit Spoken-Word als mit klassischem Gesang. Zudem sind die Sounds die erschaffen werden eher gemächlich und man hätte die Musik in den Neunziger vielleicht als Trip-Hop betitelt. Doch wie gesagt, Ghostpoet anhand von Genre-Schubladen gefangen zu halten ist schwer möglich. Es hängt immer eine mittelgroße Schwere in den Arrangements bei und bei Liedern wie „This Train Wreck Of A Life“ kann man sich im Kopf sehr düstere cineastische Bilder ausmalen. Bei diesem Song bekommt Ghostpoet dann auch noch die sinnlich Stimme der Französin SaraSara zur Seite. In diesen Moment kann man auch ein wenig an Lee Hazelwood und Nancy Sinatra 2.0 denken. Oder wenn man Vergleiche aufzeigen möchte, kann man auch Portishead nehmen, nur mit Spoken Word.

Dennoch klingt Ghostpoet auch auf seinem fünften Langspieler „I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep“ ganz eigenständig, mächtig, aufwühlend, dunkel, verstörend, wärmend.

Erschienen bei: PIAS / Rough Trade

www.ghostpoet.co.uk