Fred Raspail – Radio Primitivio
Fred Raspail wird als Johnny Cash Frankreichs betitelt. Das klingt vollmundig und wird dieser Ein-Mann-Band sicherlich gefallen. Immerhin ist Fred Raspail ein großer Fan von Cash, und dennoch sollte man sich von dieser Referenz nicht zu sehr auf die falsche Fährte locken lassen. Raspail hat nicht so einen Hang zum Country, aber durchaus eine Zuneigung zu Underdogs, und so spielt er auch überall, wo Menschen sind, und selbst, wenn es nur zwei sein sollten, um seinen „Primitiven Geist“ zu verbreiten.
Das macht er nun seit über einem Jahrzehnt, und man fragt sich, warum er eine Wohnung in Lyon und eine in Berlin hat, wenn er eh kaum zuhause ist. Er ist ein Getriebener, und auch seine Musik ist treibend und beeindruckend. Es ist ein heißer Mix aus Blues, Garage-Rock, Folk aber auch Chanson. Komischerweise ist ausgerechnet das in deutsch gesungene „Blaue Berge“ ein Chanson, mit Akzent aber jeder Menge Herzblut vorgetragen. Dazu wird eine Quetsche gespielt, und der Rhythmus ist polternd. Wo wir gerade am Poltern sind, muss man feststellen, dass viele seiner Lieder eine ähnliche Aura wie Exponate von Tom Waits aufweisen.
Und bei „No Te Quiero Mas“ wird dann auch noch eine schöne Vintage-Glasur drüber gelegt. Bei „La Panamericana“ hat man das Gefühl, dass der Teufel sich auf seine Stimme gelegt hat, um ein Stück Psychobilly zu besingen. „Cruel“ klingt wie Elvis Presley, der mit Jon Spencer gemeinsame Sache macht. Seine Musik ist pur, rau und tatsächlich ein wenig primitiv, aber das ist positiv gemeint. Die Musik geht direkt in den Bauch und ist dennoch vielseitig arrangiert, zudem singt er auf englisch, französisch und deutsch.
„Radio Primitivio“ ist ein ungemein tolles Album geworden, das für Fans von den beiden besagten Musikern geeignet ist und für Anhänger frankophiler Chansons, die gerne mal aus dem Rahmen fallen dürfen.
Erschienen bei: Gutfeeling Records / Broken Silence