Various Artists – Too Slow To Disco 4

Zwischenzeitlich haben sich jede Menge Triebe gebildet an dem Vorhaben namens „Too Slow To Disco“. 2014 brachte der Berliner Kurator DJ Supermarkt die erste Ausgabe der Compilation heraus. Zuvor gab es einige tolle Partynächte in der Stadt an der Spree mit Musik, die jahrelang ein tristes Dasein führte. Es wurden damals Platten gespielt, die die meisten lange Zeit für uncool hielten.

Zugegeben, der Zeitgeist sprach damals auch nicht für AOR, Yacht Musik und Soft Pop wurden lange Zeit nur im Giftschrank der Musikgeschichte aufbewahrt. DJ Supermarkt holte sie damals heraus und zeigte, dass sie dort nicht hingehörten. Deswegen gab es dann auch die Zusammenstellung, und 2017 erschien der dritte Teil. Danach wurde diese Serie ungemein umtriebig. Es kamen Zusammenstellungen mit Edits heraus, es gab ein Landesspecial mit französischen Acts, Ausgaben, wo nur Frauen das Sagen hatten, letztes Jahr eine mit Coverversionen, und auch junge Musiker, die diesem Genre mit eigenen neuen Songs weiter Flügel verliehen haben.

Man hatte schon das Gefühl, dass der Blick auf eine vierte reguläre Ausgabe nicht mehr vorhanden war. Material gibt es ja genug, und nun ist sie da, und auch hier muss man neidlos eingestehen, dass wieder einige unterschätzte Juwelen dabei sind. Der Einstieg „Mystery Girl“ von der Band The Dukes erschien 1981 als Single. War eher ein bescheidener Erfolg, obwohl es ein smarter Soul-Disco Schmeichler war. Die Band brachte ein Jahr später ihr einziges Album heraus, danach war das Duo als Begleitmusiker für Acts wie Jennifer Rush und Lisa Stansfield zuständig und hat sogar bei Brian Mays Hit „Too Much Love Will Kill You“ mitgeschrieben.

Ja, der Groove ist diesmal vorhanden und kommt bei einigen Stücken mehr zum Vorschein. Da wäre „You´re So Beautiful Tonight“ von Kenny Nolan, der eine eindeutige Disco-Nummer ist, bei der man mit seiner Liebsten tanzen möchte und die auch eindeutige Elemente dieses Genres hat. Später hat er für einige Disco-Songs als Produzent verantwortlich gezeichnet. Die Band Pleasure kann man auch in dieser Richtung verordnen, auch wenn ihre Platten alle eher im Funk liegen. Auf dieser Zusammenstellung findet man von Pleasure „Nothin To It“ das auch einen Groove von Earth, Wind & Fire hat und einen tollen Basslauf.

Was ich vorhin verschwiegen habe, ist, dass es eine brasilianische Ausgabe der Compilation gegeben hat, und da hätte „Beautiful News“ von Jimmie Speheeries wunderbar gepasst. Auch das mit fast schon kitschigen Lalalala-Gesängen versehene „Can’t Get You Out Of My Life“ von Eric Andersen hat ein wenig Latin in sich. Mit „Open Up“ von James Felix ist dann schon richtiger Yacht-Pop mitsamt soviel Emotionen da, dass selbst Michael Boltons und Richard Marx’ Platten verblassen. Viele Acts auf der vierten Ausgabe sind meist unbekannt, und das liegt vielleicht tatsächlich daran, dass viele Lieder und Acts doch ein wenig zu langsam für Disco sind/waren.

Erstaunlich ist, dass der prominenteste Name eher aus dem Rock stammt: Es handelt sich um Alan Price, der bei den Animals berühmt wurde, danach aber auch eine beachtliche Solo-Karriere startete. „Groovy Times“ von ihm ist ein herrlich zurückgelehntes Stück, das Sand unter den Füssen und einen Cocktail in den Händen hat. Was alle 16 Songs verbindet, ist, dass sie gut produziert sind und vor allem nach und nach wachsen. So steht auch diese Ausgabe von „Too Slow To Disco“ all den unterschiedlichen Vorgängern in nichts nach.

Erschienen bei: How Do You Are? / Word and Sound

tooslowtodisco.com