Bon Iver – i,i
Die große Wandlung von Bon Iver, die von dem Debüt „For Emma, Forever Ago“, welches von Wald-Holzhaus-Folk bis zum vertrackten Elektronik-Gefrickel reicht, ist für viele sicherlich schwer zu folgen. Man fragt sich, wie schnell sich ein Künstler ändern kann. Was aber ohne Frage bleibt ist die Tatsache, dass sich jeder Künstler auch komplett ändern darf und bei Bon Iver bedeutet das, dass man kreative Überraschungen erlebt.
Nun teilt Justin Vernom alias Bon Iver mit, dass die Platten so klingen müssen, da jedes Album eine Jahreszeit widerspiegelt. Logisch, dass sein Erstlingswerk den Winter darstellt und mit Album Nummer Vier „i,i“ nun der Herbst da. In der Tat macht diese Darstellung Sinn, denn hier sind die Farben wieder gedeckter. Musikalisch ist „i,i“ wesentlich klarer strukturiert. Die Störgeräusche vom letzten Langspieler sind gewichen und man hat jetzt mehr Blick auf die Songs und die Melodien. Auch wenn hier die elektronischen Klänge von den Arrangements noch immer federführend sind.
Aber es verstellt nicht mehr so massiv den Blick auf die Struktur, gerne wird sie wieder diskreter eingesetzt. Seine Stimme rückt auch wieder nach vorne und er benutzt sie nicht als Instrument und jagt sie auch nicht durch den Vocoder. Das bedeutet, dass die Songs vielleicht nicht mehr sein Hirn und die Sinne im Kopf so kitzeln wie bei „22 A Million“. Dafür ist diesmal das Herz wieder verstärkt die Zielscheibe und das gelingt ja meist schon mit seinem Gesang. Auch diesmal arbeitet er damit und die Stimme mutet mal zerbrechlich an, fleht kurz danach kraftvoll und baut sich auf, um anschließend wärmend zu singen, wie bei „Faith“.
Der Folk ist hier auch wieder mehr spürbarer, wie bei „Marion“ oder „Hey Ma“ und ist schon dichter an dem zweiten Werk. Manchmal hat man auch das Gefühl, dass sich mit „i, i“ der Kreis schließt und er sich noch viele Türen offen hält. Da gibt es offene Jazz-Verneigungen, wie „Sh´Diah“, abstrakte Songbauten, wie „Yi“ oder Kraftvolles, wie orchestral Großtaten wie „We“ . Bei Bon Iver ist noch alles offen und man kann wahrlich viel erwarten.
Erschienen bei: Jagjaguwar / Cargo